Freitag, 26. Juli 2013
Luta-Livre-Graduierungen
Da die Mad Monkey Academy sich primär mit MMA beschäftigt und es im MMA kein seriöses Gürtelsystem gibt, gibt es auch keine MMA-Graduierungen bei uns.

Allerdings ist ein großer Teilaspekt des MMA nun mal der Bodenkampf und da Chris und ich in dieser Hinsicht im Luta-Livre unsere Wurzeln haben, werde ich an dieser Stelle mal was dazu schreiben.
Chris hat irgendwann aufgehört, sich graduieren zu lassen, was auch daran lag, dass er seinen Technik-Input der letzen Jahre nicht mehr hauptsächlich aus dem Kölner Luta-Livre bezog.
Ich habe die LL-Schiene weiter gefahren, weil ich immer noch großen Bock auf diese Sportart habe.

Zunächst einmal:
Warum Graduierungen ?

Graduierungen kommen aus den traditionellen Kampfkünsten und sollen den Trainierenden einen Überblick über den eigenen Leistungsstand geben.
Graduierungen erleichtern die Unterteilung in Anfänger und Fortgeschrittene und sind so bei der Organisation von Schulungsbetrieb und Wettkämpfen hilfreich.
Graduierungen dienen der Motivation.
Graduierungen sind eine nicht wegzudiskutierende Einnahmequelle für KK-Lehrer weltweit.

Im Gegensatz zu den traditionellen KK hat sich in den noch jungen Sportarten BJJ und LL
-bis auf seltene Ausnahmen-
noch keine inflationäre Gürtelvergabe durchgesetzt.
Es ist möglich, innerhalb von 4 Jahren z.B. einen Taekwondo- oder Karate- Schwarzgurt zu erhalten - im LL ist mir nicht ein einziger Fall bekannt.
Im BJJ ist mir persönlich nur Kazeka Muniz bekannt, der nach meiner Kentniss nach 4 Jahren Schwarz graduiert wurde.
Da hatte er allerdings schon eine Karriere als olympischer Ringer für das USA-Team hinter sich, war extrem fleißig und talentiert.
Also eine Ausnahmeerscheinung.
10 Jahre und mehr auf einen LL-Blackbelt hinzuarbeiten ist zur Zeit in Deutschland normal.
Und das ist gut so.
Umso mehr bedeutet die jeweilige Gürtelstufe, wenn man sie irgendwann erreicht.

Die Vergabepraxis unterscheidet sich von System zu System und teilweise von Schule zu Schule.
Manchmal wird die Graduierung nach einer Prüfung verliehen, manchmal nach einem erfolgreichen Wettkampf.
Manche Lehrer verleihen nach einer Begutachtung im Trainings-Sparring, manche, wenn sie die Zeit für gekommen halten.
Allen Lehrern ist gemein, daß sie einen besseren Überblick über die Erfolge und Fortschritte des Schülers haben als der Schüler selbst.
Oft ist der Schüler von der Graduierung überrascht und sieht sich selbst noch nicht zurecht in der neuen Gürtelklasse beheimatet.
Das ist normal. Geht fast allen so.
Passt aber schon, unter anderem, weil ein geistig gesunder Lehrer bestrebt sein wird, seinen Graduierungen nicht einen Ramsch-Status zu geben.

Wie werden die einzelnen Gürtelstufen definiert und welche Anforderungen werden gestellt ?

Der Whitebelt:
Frischling. Er hat keine Ahnung. Alle falten ihn zusammen. Selbst die kleineren und leichteren der fortgeschrittenen Schüler wischen mit ihm den Mattenboden.
Das ist die Phase der Frustration aber auch die Phase der schnellsten und größten Fortschritte.
Er muss lernen, wie die Positionen benannt werden und wie sie korrekt ausgefürt werden.
Er muss die Ringertypischen Bewegungen verinnerlichen und in Fleisch und Blut übergehen lassen.
Er muss lernen, sein Ego zu kontrollieren.

Der Bluebelt:
Hat die wichtigesten Begriffe erlernt.
Kann die Positionen korrekt einnehmen.
Hat gelernt sich zu verteidigen.
Hat an Wettkämpfen teilgenommen.
Hat ein paar effiziente Angriffe und Submissions in sein Game aufgenommen.

Der Purplebelt:
Hat ein größeres Repertoire an Techniken, kann mehrere Angriffe aus allen Positionen abschiessen.
Beginnt, Techniken miteinander zu verknüpfen und baut sich erste Gameplans.
Hat ein paar spezielle Techniken annähernd zur Perfektion gebracht.

Der Brownbelt:
Ist in der Lage, Techniken zu vermitteln, qualifiziert zu unterrichten und zu coachen.
Hat Balance und Gewichtsverteilung nahezu perfektioniert.
Verknüpft Escapes, Angriffe und Konter zu einem Advanced-Gameplan.

Der Blackbelt:
Bewegt sich effizient und ökonomisch.
Kann aus allen Positionen Escapes, Angriffe und Submissions anbringen.
Verknüpft alles mit zunehmender Sicherheit.



Das sind natürlich nur grobe Anhaltspunke, jeder Lehrer, jede Schule hat eigene Vorgaben und Vorstellungen von der Qualifizierung zu nächsthöheren Stufe.

Ein großes Kriterium zur Gürtelvergabe ist immer noch die Kampfstärke.
Ist ein Bluebelt in der Lage, den Großteil der anderen Blaugurte zu dominieren ist er langsam reif für den nächsten Gurt.
Das heisst natürlich nicht, daß ein 60-Kg-Bluebelt nicht auf Purple graduiert werden kann, weil er nicht in der Lage ist, den 120-Kg-Whitebelt zu submitten.
Gewicht, Alter, Geschlecht und Handycaps spielen natürlich eine Rolle.
Helio Gracie war mit Sicherheit in seinem
95. Lebensjahr nicht mehr in der Lage, jeden Braungurt seiner Schule zu zerlegen - trotzdem wusste jeder, daß die jahrzehntelange Erfahrung im Kämpfen und Unterrichten hier der entscheidende Faktor war.

Zuguterletzt:
Wichtig sind sie nicht, diese Belts - sie zeigen dem Sportler nur, auf welchen Punkt seiner Reise er sich gerade befindet und honorieren in gewisser Weise die Arbeit auf der Matte.

G

... comment